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04.10.2016

Konkurrentenschutzverfahren, einstweilige Verfügung zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs, Darlegungs- und Beweislast - Veröffentlichung Arbeitsrechtliche Entscheidungen, 04/2015

Konkurrentenschutzverfahren, einstweilige Verfügung zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs, Darlegungs- und Beweislast

Aus den Entscheidungsgründen:

Die zulässige Klage ist begründet.
I. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung entsprechend des § 62 Abs. 2 ArbGG i.V.m. §§ 935, 940 ZPO ist das Vorliegen eines Verfügungsanspruches, also eines materiell-rechtlichen Anspruches in der Sache, sowie eines Verfügungsgrundes, d.h. eines besonderen Bedürfnisses für die Eilbedürftigkeit der Sache.
1. Die Klägerin hat nach Auffassung der erkennenden Kammer im Rahmen der im einstweiligen Verfügungsverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Auswahlverfahren fehlerhaft war und ein Anspruch auf Wiederholung besteht. Dem ist die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten.
a. Gemäß Art. 33 Abs. 2 GG gilt, dass jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem Öffentlichen Amt hat. Öffentliche Ämter im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG sind nicht nur Beamtenstellen, sondern auch solche, die von Arbeitnehmern besetzt werden können. Art. 33 Abs. 2 GG begründet ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessenfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl sowie ein subjektives Recht eines jeden Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren (vgl. nur BAG, Urt. v. 6.5.2014 – 9 AZR 724/12).
Aus Art. 19 Abs. 4 GG folgt hierbei, dass einem abgelehnten Bewerber die Möglichkeit einer gerichtlichen Kontrolle der Auswahlentscheidung offensteht. Dem öffentlichen Arbeitgeber steht jedoch bei der Anwendung des Art. 33 Abs. 2 GG ein verfassungsrechtlich gewährter Beurteilungsspielraum zu. Die Auswahlentscheidung unterliegt daher nur beschränkt einer gerichtlichen Kontrolle. Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe der Gerichte, den am besten geeigneten Bewerber zu ermitteln. Eine solche Auswahlentscheidung steht vielmehr dem öffentlichen Arbeitgeber und den für ihn handelnden Organen zu, Diesen obliegt es festzustellen, ob ein Bewerber über die notwendigen fachlichen Leistungen, Befähigungen und die notwendige Eignung verfügt Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich hierbei darauf, ob der öffentliche Ar- beitgeber diesen gesetzlichen Rahmen beachtet hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertungsmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl. LAG Nürnberg, Urt. v. 6.12.2005 – 7 Sa 192/ 05).
Da der abgelehnte Bewerber nicht in der Lage ist, die ent- scheidungserheblichen Tatsachen selbst vorzutragen, hat er einen Auskunftsanspruch gegen die Behörde über Namen und Qualifikation des Mitbewerbers gemäß Art, 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG bzw. § 242 BGB (vgl. BAG 28.5.2002 – 9 AZR 751/00). Dem unterlegenen Bewerber ist binnen einer Frist von zwei bis vier Wochen vor der Stellenbesetzung mit- zuteilen, aufgrund welcher Umstände die Wahl nicht auf ihn gefallen ist (Korinth, Einstweiliger Rechtsschutz im Arbeitsgerichtsverfahren, 3. Aufl., 2015, Rn 292 jeweils m.w.N.). Die Problemlage ist im Grunde die gleiche wie bei der sozialen Auswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung. Auch dort hat die Rechtsprechung eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast für den Fall entwickelt, dass der Arbeitnehmer keine Kenntnis von den Gründen hat, die den Arbeitgeber zu der getroffenen sozialen Auswahl bewogen haben (vgl. BAG 24.3.1983 – 2 AZR 21/82; Korinth, Rn 305). Kommt der Arbeitgeber dieser Darlegungslast nicht nach und gibt er keine oder keine vollständige Auskunft über seine subjektiven Erwägungen betreffend die soziale Auswahl, dann kann der Arbeitnehmer seiner Substantiierungspflicht nicht genügen, In diesem Fall ist der der fehlenden Kenntnis des Arbeitnehmers entsprechende Vortrag, es seien sozial stärkere Arbeitnehmer als er vorhanden, schlüssig und ausreichend. Der Vortrag, der Arbeitgeber habe soziale Gesichtspunkte nicht ausreichend beachtet, ist zugleich unstreitig, wenn der Arbeitgeber bei seiner die Auskunft verweigernden Haltung verbleibt, denn er hat damit nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht hinreichend bestritten (LAG Thüringen, Urt. v. 13.1.1997 – 8 Sa 232/96). Folglich hat der öffentliche Arbeitgeber im Konkurrentenschutzverfahren konkret zum Auswahlverfahren und den Auswahlgründen vorzutragen und sein Vorbringen glaubhaft zu machen. Geschieht dies nicht, ist der Vortrag des Bewerbers, die Durchführung des Verfahrens sei fehlerhaft gewesen, als zutreffend zu unterstellen.
Die Beklagte ist der soeben skizzierten Darlegungslast – auf die bereits die Klägerin in ihrer Antragsschrift hingewiesen hat – nicht nachgekommen. Sie hat vielmehr erst eine Darlegung im Hauptsacheverfahren in Aussicht gestellt. Inwiefern Frau R geeigneter, leistungsstärker oder befähigter als die Klägerin im Sinne von Art. 33 Abs. 2 GG sein soll, konnte die Kammer aufgrund des Beklagtenvortrags nicht erkennen.
c. Die bereits erfolgte Besetzung der fraglichen Stelle steht dem vorliegend nicht entgegen.
aa. Grundsätzlich setzt der Anspruch auf Zugang zu einem öffentlichen Amt eine freie Stelle voraus. Art. 33 Abs. 2 GG ver- pflichtet den Arbeitgeber nicht, ein Amt mehrfach zu vergeben. Daher erledigt sich eine Konkurrentenklage grundsätzlich mit der endgültigen Übertragung des Amts auf den Mitbewerber, dem unterlegenen Bewerber stehen allenfalls Schadensersatzansprüche zu (vgl. BAG, Urt. v. 18.9.2007 – 9 AZR 672/06, m.w.N.). Danach wäre der Anspruch der Klägerin mit der Stellenbesetzung durch Frau R am 1.7.2015 erschöpft.
bb. Anderes gilt aber entsprechend der soeben zitierten Rechtsprechung, wenn der öffentliche Arbeitgeber den Anspruch des Arbeitnehmers auf effektiven Rechtsschutz vereitelt.
(1) Die Gerichte müssen das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes genügt. Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächliche und wirksame gerichtliche Kontrolle. Mit diesen Vorgaben aus Art. 19 Abs. 4 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG ist die Annahme unvereinbar, der Bewerbungsverfahrensanspruch gehe auch dann unter, wenn der öffentlich-rechtliche Arbeitgeber unter Verstoß gegen eine den Anspruch sichernde einstweilige Verfügung einen Konkurrenten einsteilt oder befördert. Denn Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG verbieten dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber, durch Schaffung vollendeter Tatsachen statusverändernde Maßnahmen zu treffen. Der Betroffene hat einen Anspruch auf Wiederherstellung. Nach den Rechtsgedanken aus § 162 Abs. 2 BGB sowie §§ 135, 136 BGB kann der Dienstherr einem zu Unrecht übergangenen Be- werber nicht mit Erfolg entgegenhalten, er könne dessen Bewerbungsverfahrensanspruch nicht mehr erfüllen, weil die Stelle schon besetzt sei. Der Betroffene kann vielmehr verlangen, verfahrensrechtlich und materiellrechtlich so gestellt zu werden, als sei die einstweilige Verfügung beachtet und das Bewerbungsverfahren noch nicht beendet worden (BAG, a.a.O., m.w.N.).
(2) Die gleichen Erwägungen gelten, wenn der Arbeitgeber es – wie im vorliegenden Fall – entgegen seiner Auskunftsverpflichtung bereits unterlässt, den unterlegenen Arbeitnehmer vor der Einstellung des ausgewählten Bewerbers über diesen Ausgang des Verfahrens zu informieren, damit vollendete Tatsachen schafft und dem Arbeitnehmer somit die Möglichkeit des effektiven Rechtsschutzes abschneidet (ebenso LAG Niedersachsen, Urt. v. 8.11.2004 – 5 Sa 576/04). (...)
(c ) Folglich kann die Klägerin im Rahmen des soeben skizzierten Wiederherstellungsanspruchs verlangen, dass die Beklagte denjenigen Zustand wieder herstellt, der bestehen würde, wenn sie die Klägerin rechtzeitig über ihr Unterliegen im Bewerbungsverfahren unterrichtet hätte. Dann hätte sie vor der Besetzung einstweiligen Rechtsschutz erwirken können und die Stelle wäre erst gar nicht besetzt worden, so dass die Klägerin einerseits die Aufhebung der Besetzung verlangen kann. Andererseits kann sie verlangen, dass bis zur Klärung der Frage, ob das Bewerbungsverfahren ordnungsge- mäß durchgeführt wurde, die Steile nicht neu besetzt wird. 2. Auch ein Verfügungsgrund ist gegeben. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Klägerin ist durch die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle durch Frau R unmittelbar gefährdet. Denn durch die Besetzung der Stelle mit Frau R hat diese die Möglichkeit, einen Erfahrungsvorsprung gegenüber der Klägerin zu erwerben, der ihr bei einem eventuell nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens durchzuführenden neuen Bewerbungsverfahren zugutekommen könnte. Das Abwarten des Hauptsacheverfahrens kann daher nicht abgewartet werden. (...)

■ Arbeitsgericht Köln
vom 4.9.2015, 17 Ga 77/15
eingereicht von Carsten Keunecke
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Strafrecht



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